Aargau: Ehepaar Hagger

Bis vor sieben Jahren wohnten Haggers in einem grossen Haus mit Garten. Als es aber mit zunehmendem Alter immer schwieriger wurde, Haus und Garten in Schuss zu halten, entschieden sich die beiden für einen Umzug.

«Wir wollten in eine Wohnung, die möglichst hindernisfrei ist – damit wir auch im hohen Alter noch selbständig zu Hause sein können», erzählt Hansjost Hagger. Damals erschien dem Ehepaar die grosszügige Wohnung im Parterre eines neuen Mehrfamilienhauses ideal – beide waren noch gut zu Fuss unterwegs und widmeten sich gern und intensiv der Rosenpflege im eigenen Garten.

Dann änderte ein Unfall aber schlagartig alles: «Meine Frau wurde im Tram von der Tür eingeklemmt, ist hingefallen und hat sich schwer am Bein verletzt – und das im Alter von 80 Jahren.» Nach fünfmonatigem Spitalaufenthalt und zahlreichen Operationen durfte Elvira Hagger wieder nach Hause. Seit dem Unfall ist sie aber gehbehindert und auf den Rollstuhl angewiesen.

Nun werden sich Haggers plötzlich bewusst, wie viele Hindernisse ihre Wohnung hat – obwohl die Wohnung beim Verkauf als rollstuhlgerecht bezeichnet wurde: Die Dusche hat einen hohen Absatz, die Schwellen zum Garten sind mit einem Rollstuhl oder Rollator nicht überwindbar, und der Zugang zum Haus selber wird zum Problem. Dem Ehepaar bleibt nichts anderes übrig, als auf eigene Kosten so viel wie möglich anzupassen: «Wir liessen die Dusche schwellenlos umbauen. Zudem haben wir uns von einem Schreiner Keile anfertigen lassen. Diese kann ich so platzieren, dass ich meine Frau im Rollstuhl auf unseren Gartensitzplatz schieben kann.»

Die Schwellen vor Haus und Wohnung aber blieben, ebenso das Gefälle zum Haus. Die Situation kann ohne Änderung der Grundstücksentwässerung nicht nachgebessert werden. «Meine Frau kann den Rollstuhl nicht mehr aus eigener Kraft fahren. Wenn ich mit ihr nach draussen gehe, muss ich sehr vorsichtig sein und viel Kraft aufwenden, damit wir nicht über die Stolperschwelle am Ende der Rampe fallen», so Hansjost Hagger.

Porträtbild Herr Hagger
Meine Frau kann den Rollstuhl nicht mehr aus eigener Kraft fahren. Wenn ich mit ihr nach draussen gehe, muss ich sehr vorsichtig sein und viel Kraft aufwenden, damit wir nicht über die Stolperschwelle am Ende der Rampe fallen.

Viele dieser Hindernisse hätten sich mit der entsprechenden Planung bereits beim Bau des Hauses vermeiden lassen, ist Procap-Bauberater Remo Petri überzeugt: «Wenn bei Bauten von Anfang an die Vorgaben zur hindernisfreien Bauweise angewendet und umgesetzt werden, braucht es kaum noch Anpassungen.»

Der Bedarf an hindernisfreiem Wohnraum wird in den nächsten Jahren enorm steigen. Denn die Bevölkerung in der Schweiz wird immer älter, und in Zukunft werden immer mehr Menschen auf entsprechend ausgerichtete Wohnungen angewiesen sein. Schon heute gibt es zu wenige geeignete Wohnungen, und bei Neubauten werden selten alle nötigen Kriterien erfüllt: «Es ist bedenklich, wie viele Fehler in der Umsetzung passieren, trotz Verankerung im Baugesetz», so Petri.

Werden bei einem Gebäude die Vorschriften zur hindernisfreien Bauweise nicht eingehalten, können die Gemeinden den Bauherrn zwar bei der Abnahme zur Rechenschaft ziehen. Da aber nachträgliche Instandstellungen oftmals technisch kaum mehr möglich oder mit hohen Kosten verbunden sind, müssen nach geltender Rechtspraxis solche Mängel abgenommen werden.

In der Folge gibt es viele Bauten, welche die gesetzlichen Bedingungen der hindernisfreien Bauweise nur teilweise erfüllen. Werden dann Anpassungen nötig – wie z.B. beim Ehepaar Hagger – bleiben die Kosten an den Betroffenen hängen. «Wir konnten die nötigen Umbauten zum Glück selbst finanzieren. Aber wenn das nicht möglich gewesen wäre, hätten wir in ein Heim umziehen müssen», ist sich Hansjost Hagger sicher.


Ehepaar Haggers Steckbrief

  • Name: Hansjost und Elvira Hagger
  • Alter: 88 Jahre / 87 Jahre
  • Wohnort: Kanton Aargau
  • Wohnsituation: 4-Zimmer-Eigentumswohnung, Parterre
  • Gesundheitliche Situation: Elvira Hagger ist seit einem Unfall gehbehindert
  • persönliche Situation: Beide sind pensioniert. Hansjost Hagger war Elektroingenieur