Teilrevision Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG)

Menschen mit Behinderungen sind im Alltag vielfach mit Diskriminierung konfrontiert: Bei der Arbeit, beim Wohnen, im Verkehr, beim Ausüben ihrer politischen Rechte und bei existenziellen Dienstleistungen wie der Gesundheitsversorgung oder dem Bankenwesen. Anfang 2024 wurde der Vorschlag des Bundesrates für eine Revision des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG) vernehmlasst. Der Entwurf geht deutlich zu wenig weit und bedarf substanziellen Anpassungen, wie Procap in der Stellungnahme zur Vorlage aufzeigt.  

Die Probleme sind erkannt – so der Eindruck Anfang 2023, als der Bundesrat verkündete, er wolle die Rechte der nahezu zwei Millionen Menschen mit Behinderungen in der Schweiz (zu ihnen zählen auch viele ältere Menschen) stärken. So schrieb er etwa: «Menschen mit Behinderungen sind in ihrem Alltag nach wie vor benachteiligt. Sie stossen beim Zugang zum Arbeitsmarkt und im Arbeitsumfeld auf Hürden, etwa durch Vorurteile im Bewerbungsverfahren oder Arbeitsinstrumente, die nicht barrierefrei sind. Viele zentrale Dienstleistungen etwa in der Gesundheitsversorgung oder dem Bankwesen sowie viele Beratungsangebote, sind für Menschen mit Behinderungen nur eingeschränkt zugänglich.»

Folglich hat der Bundesrat versprochen, im Rahmen der BehiG-Revison dafür zu sorgen, dass Menschen mit Behinderungen besser gegen Diskriminierung geschützt sind. Er hat das EDI beauftragt, bis Ende 2023 Gesetzesänderungen vorzubereiten. Dabei hat der Bundesrat Eckwerte vorgegeben. So sollen Arbeitgebende verpflichtet werden, Gleichstellungs-Massnahmen umzusetzen und private Dienstleister jeder Art sollen dafür sorgen müssen, dass Menschen mit Behinderungen ohne erschwerende Bedingungen Zugang haben.

Auch beim Wohnen soll es endlich Verbesserungen hin zu mehr Selbstbestimmung geben und die aktive Partizipation am gesellschaftlichen und politischen Leben soll besser ermöglicht werden. Analysiert werde dabei auch die umfassende Beistandschaft, denn, so erkennt es auch der Bundesrat: «Sie beschränkt die Handlungsfähigkeit und damit auch die Autonomie der betroffenen Person stark.»

Vorschläge enttäuschen

Gespannt wartete Procap zusammen mit den anderen Behindertenverbänden auf die konkreten Vorschläge des EDI. Mit der Gesetzesrevision reagiert der Bundesrat auf langjährige Kritik der Behindertenverbände. Leider enthält der Vorentwurf nur einen Bruchteil der notwendigen Anpassungen. Was fehlt sind beispielsweise Gesetzesartikel zur freien Wahl der Wohnform, ebenso Vorgaben für Assistenzen – zwei klare Forderungen der Inklusionsinitiative.

Die geplante Revision verändert die Realität von Menschen mit Behinderungen voraussichtlich kaum. Problematisch sind insbesondere die zu enge Themenwahl (Beschränkung auf Arbeit und Dienstleistungen), die Fokussierung auf den Schutz vor Diskriminierung im Einzelfall, zudem noch mit einem diesbezüglich untauglichen Vorschlag. Mit der neuen Bestimmung zum Verbandsbeschwerderecht würde sich die Rechtslage von Menschen mit Behinderungen sogar deutlich verschlechtern. Der Vorentwurf enthält weiter keinerlei Vorschläge zur Stärkung der Institutionen und Organisationen, welche eine Verantwortung für die Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen tragen. Schliesslich entsprechen die Vorschläge betreffend die Anerkennung der Gebärdensprache nicht dem Willen des Parlamentes.

Anpassungen gefordert

Im weiteren Prozess kämpft Procap gemeinsam mit anderen Behindertenorganisationen für notwendige Anpassungen im BehiG. Unsere Forderungen sind:

  • Das BehiG muss unbedingt einer umfassenden Revision unterzogen werden.
  • Die Revision ist breiter zu fassen, sowohl hinsichtlich der Themen als auch der Instrumente.
  • Angesichts der rechtlichen Komplexität des Unterfangens ist hierzu die nötige Zeit zu investieren und es sind die Organisationen von Menschen mit Behinderungen miteinzubeziehen.

Procap Schweiz unterstützt zudem die konkreten Verbesserungsvorschläge von Inclusion Handicap, welche im Faktenblatt Link öffnet in neuem Fenster. zur Vernehmlassungsantwort zusammengefasst worden sind. Auch die tatsächliche Gleichstellung auf Verfassungsebene, der verbindliche Gleichstellungs-Auftrag an die Kantone und die Finanzierung von Assistenzen und Hilfestellungen bleiben wichtige Forderungen – hier liegen zurzeit alle Hoffnungen auf der Inklusionsinitiative Link öffnet in neuem Fenster..


 

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