Selbstbestimmt wohnen

Viele Menschen mit Behinderungen können noch immer nicht selbstbestimmt wählen, wie und wo sie wohnen möchten. Sie wohnen beispielsweise in einer Institution, obwohl sie mit Unterstützung auch im eigenen Zuhause oder in einer betreuten Wohnform leben könnten. Oder die Wahl ihres Wohnortes ist auf einen bestimmten Kanton begrenzt. In der Schweiz fehlen vielerorts die nötigen Strukturen oder die Rahmenbedingungen unterscheiden sich in den einzelnen Kantonen. Damit Menschen mit Behinderungen vermehrt selbstbestimmt wohnen können, sind Gesetzesänderungen notwendig.

Menschen mit Behinderungen werden bei der Wahl des Wohnorts und der Wohnform immer noch stark eingeschränkt. Dabei ist die Niederlassungsfreiheit ein in der Bundesverfassung verbrieftes Recht, das für alle Personen mit Schweizer Staatsangehörigkeit gilt. Auch die UNO-Behindertenrechtskonvention räumt Menschen mit Behinderungen im Bereich Wohnen gleiche Wahlmöglichkeiten ein wie allen anderen Menschen.

Dass die Wahlfreiheit beim Wohnen für Menschen mit Behinderungen noch nicht Realität ist, liegt an der fehlenden Unterstützung für das Leben zu Hause. Zwar hat der Assistenzbeitrag der IV hier vor gut zehn Jahren Türen geöffnet zu mehr Selbstbestimmung. Der Beitrag ermöglicht es Personen mit Behinderungen, dass sie als Arbeitgeber*innen selbst Assistenzpersonen anstellen. Der Wert der persönlichen Assistenz ist riesig, und das Instrument wird rege genutzt. Mehr Informationen zum Assistenzbeitrag.

Flickenteppich der Kantone

Damit das selbstbestimmte Leben für Menschen unabhängig ihrer Behinderung möglich wird, braucht es allerdings einen Ausbau der sogenannten ambulanten Dienstleistungen für die Unterstützung, Begleitung, Betreuung und Pflege im Alltag. Einige Kantone haben diesen Bedarf erkannt und bewegen sich in Bezug auf die Verteilung der finanziellen Mittel in die richtige Richtung. Im Rahmen der sogenannten Subjektfinanzierung gehen die Ressourcen direkt zu den Menschen mit Behinderungen, welche diese selbstbestimmt einsetzen können: für das Leben in einer Privatwohnung mit Assistenz, in einer betreuten Wohnform oder in einer Institution. Kantone wie Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Bern, Luzern, St. Gallen, Thurgau und Zürich entwickeln sich hier weiter – mit unterschiedlichen Modellen.

Politik muss aktiv werden

Für mehr ambulante Dienstleistungen, mehr persönliche Assistenz, mehr direkte Finanzmittel, mehr Selbstbestimmung sowie für die freie Wahl des Wohnorts muss sich die politische Schweiz bewegen. Der Flickenteppich der Kantone gilt es mit einer Revision des «Bundesgesetzes über die Institutionen zur Förderung der Eingliederung von invaliden Personen (IFEG)» abzuschaffen. Mit der Überarbeitung des Rahmengesetzes hat der Bund die Möglichkeit, eine klare Orientierung zu schaffen und die richtigen Anreize zu setzen. Die Herausforderung besteht darin, genügend Angebote für ein selbstbestimmtes Wohnen zu schaffen. Die Revision des IFEG soll deshalb bestehende Fehlanreize beseitigen, ambulante Unterstützungsleistungen fördern und Menschen mit Behinderungen auch den Wechsel des Wohnsitzes in einen anderen Kanton ermöglichen. 

Aktuelle politische Situation

Im März 2024 hat der Nationalrat die Motion 24.3003 Link öffnet in neuem Fenster. für eine Revision des IFEG angenommen. Die Sozialkommission des Ständerates (SGK-S) hat das Geschäft daraufhin an ihrer Sitzung im Juni 2024 behandelt, den Entscheid dazu jedoch vertagt.

Procap Schweiz begleitet das Thema weiterhin und setzt sich dafür ein, dass Menschen mit Behinderungen die ihnen zustehende Freiheit bei der Wahl ihrer Wohnform sowie ihres Wohnorts erhalten.


Weiterführende Informationen

Motion 24.3003 Link öffnet in neuem Fenster. für eine Revision des Bundesgesetzes über die Institutionen zur Förderung der Eingliederung von invaliden Personen (IFEG)

Procap Magazin 01/2024 mit dem Fokusthema Wohnen Link öffnet in neuem Fenster.

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