Rückerstattung der Ergänzungsleistungen aus dem Nachlass
Meine Mutter ist im August 2022, genau ein Jahr nach meinem Vater, verstorben. Sie hinterlässt 200'000 Franken. In diesem Nachlass enthalten ist die Wohnung, in der sie bis zu ihrem Tod gewohnt hat. Mein Vater war schwer pflegebedürftig und lebte die letzten Jahre im Pflegeheim. Während des Heimaufenthalts bezogen meine Eltern Ergänzungsleistungen. Nun habe ich gehört, dass man Ergänzungsleistungen zurückzahlen muss. Ich bin selbst IV-Rentner und auf Ergänzungsleistungen angewiesen.
Ergänzungsleistungen (EL) sind eine Sozialversicherungsleistung zur AHV- oder IV-Rente, wenn Letztere zum Leben nicht reicht. Wer Leistungen der Sozialversicherungen zu Recht bezieht, muss diese im Unterschied zur Sozialhilfe später normalerweise nicht zurückbezahlen. Auch nicht, wenn die Bezügerin oder der Bezüger von Ergänzungsleistungen später zu einem Vermögen kommt – wie allenfalls Sie durch ein Erbe. Ein Vermögenszuwachs betrifft nur den Anspruch auf künftige Ergänzungsleistungen.
Sonderfall geschaffen
Der Gesetzgeber hat in der letzten EL-Reform an diesem System gerüttelt und einen Sonderfall der Rückerstattung geschaffen. Neu müssen auch rechtmässig bezogene Ergänzungsleistungen zurückbezahlt werden, wenn die Bezügerin oder der Bezüger von Ergänzungsleistungen stirbt und mehr als 40 000 Franken hinterlässt. Bei Ehepaaren stellt sich die Frage der Rückerstattung erst, wenn auch die zweite Person des Ehepaares verstorben ist.
Rückerstattungspflichtig sind neu alle ausbezahlten Ergänzungsleistungen, einschliesslich der Krankheits- und Behinderungskosten und der Krankenkassenprämien der letzten zehn Jahre. Da diese Bestimmung erst seit dem 1. Januar 2021 in Kraft ist, müssen vor diesem Datum bezogene Leistungen jedoch nicht zurückbezahlt werden.
In Ihrem Fall berechnet sich die Rückforderung wie folgt: Vom Nachlass in der Höhe von 200 000 Franken wird der Freibetrag von 40 000 Franken abgezogen. Somit könnten maximal 160 000 Franken zurückgefordert werden. Der Rückforderungszeitraum liegt zwischen dem 1. Januar 2021 (Inkrafttreten der Bestimmung) und dem 31. August 2022 (Todesdatum Ihrer Mutter).
Angenommen, Ihren Eltern wurden in diesem Zeitraum effektiv insgesamt 70 000 Franken an Ergänzungsleistungen ausgerichtet, werden diese vom Nachlass Ihrer Mutter vollumfänglich zurückgefordert. Für Sie als Erben verbleiben dann noch 130 000 Franken.
Einfluss auch auf den eigenen Anspruch
Die Erbschaft wirkt sich zudem auf Ihren eigenen Anspruch auf Ergänzungsleistungen aus. Mit derselben EL-Reform hat der Gesetzgeber eine Vermögensgrenze eingeführt, bis zu welcher ein Anspruch auf Ergänzungsleistungen überhaupt geltend gemacht werden kann. Bei Alleinstehenden liegt die Grenze bei 100 000 Franken (ohne selbstbewohntes Wohneigentum). Ihr Anspruch auf Ergänzungsleistungen erlischt demnach mit dem Erbfall.
Denken Sie daran, die Erbschaft umgehend bei Ihrer EL-Stelle oder Ausgleichskasse zu melden. Unrechtmässig bezogene Ergänzungsleistungen müssen immer zurückerstattet werden.
Hinweis: Die Übergangsfrist der EL-Reform endet am 31. Dezember 2023. Alle Ergänzungsleistungen, die während der Übergangsphase nach altem Recht gewährt wurden, werden auf den 1. Januar 2024 definitiv an das neue Recht angepasst.
Nadja D’Amico, Anwältin