«Sport ist ein guter Grund, um sich zu treffen»

Zeichnung von geh- und sehbehinderten Wanderern

Spass an der Bewegung und die Pflege von sozialen Kontakten stehen bei den Procap-Sportangeboten im Vordergrund.

Sport ist mehr als reine Bewegung zur Förderung der Gesundheit. Sport bringt Sinn ins Leben und ermöglicht soziale Kontakte. Deshalb sind sportliche Aktivitäten auch eine Grundlage der Hilfe zur Selbsthilfe, dem Motto von Procap Schweiz. Mit ihren Sportgruppen und Bewegungsangeboten, den regelmässigen Sportevents und dem Engagement in der Aus- und Weiterbildung von Sportleiter*innen setzt sich Procap seit 1960 für die Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen im Sport ein.

Text: Sonja Wenger, Illustrationen: Reto Crameri

Man weiss es seit langem: Sport ist gut für die Gesundheit. Wer sich regelmässig bewegt, ist beispielsweise entspannter, fühlt sich wohler und schläft besser. Man hat weniger Schmerzen, man erholt sich besser von Krankheiten, und sogar die Folgen des Alterungsprozesses sind weniger spürbar. Hinzu kommt, dass Bewegung meistens Spass macht. Wer allein oder mit gleichgesinnten Menschen aktiv ist, tut also auch viel für sein psychisches Wohlbefinden, denn sportliche Aktivitäten fördern nicht nur die körperliche, sondern auch die psychische Gesundheit und soziale Kontakte.

Dies gilt gleichermassen für Menschen mit und ohne Behinderungen. Doch für Menschen mit Behinderungen gilt der Grundsatz «jede Bewegung zählt» noch stärker. Denn «jede Bewegung ist besser als keine», sagt Helena Bigler, Leiterin von Procap Reisen und Sport. Der Grund: Körperliche Einschränkungen machen sich mit zunehmendem Alter stärker bemerkbar. Jedoch kann die physische und psychische Balance durch gezielte und regelmässige Bewegung spürbar verbessert und das allgemeine Wohlbefinden gesteigert werden. Doch die aktive Teilnahme von Menschen mit Behinderungen an Bewegungsaktivitäten und Sport ist bis heute oft durch unterschiedliche Barrieren erschwert.

Wahlmöglichkeiten und Zugang schaffen

Hier spielt Procap eine wichtige Rolle. Als grösste Selbsthilfeorganisation für Menschen mit Behinderungen setzt sich die Organisation seit 1960 auch für die Gleichberechtigung im Sport ein. In rund 30 Sportgruppen mit knapp 1000 Aktivmitgliedern in der ganzen Schweiz bietet Procap allen Interessierten eine breite Palette an niederschwelligen Sportangeboten, unabhängig von deren Behinderungsform und Alter.

«Beinahe jede Sportart kann mit gewissen Anpassungen auch von Menschen mit Behinderungen ausgeübt werden», sagt Helena Bigler. «Wir wollen allen die Möglichkeit bieten, auszuwählen, was ihnen Spass macht, und sicherstellen, dass sie dabei die Unterstützung erhalten, die sie benötigen.»

Die meisten Menschen mit Behinderungen betreiben nicht Leistungssport, sondern sind im Breitensport aktiv. «Natürlich gibt es auch im Breitensport Wettkämpfe. Aber die Lust an der Bewegung, die Verbesserung der persönlichen Fitness und das Zusammensein mit anderen stehen im Vordergrund.»

Für Menschen mit Behinderungen, die Spitzensport betreiben möchten, gibt es in der Schweiz folgende Möglichkeiten: die Qualifikation für die Paralympics, welche über den Verband der jeweiligen Sportart organisiert wird, oder die Teilnahme an Sportevents von Special Olympics für Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung.

Procap-Sportevents: Gewinnen ist schön – Mitmachen ist alles

Wichtige Highlights im Sportjahr von vielen Menschen mit Behinderungen sind die regelmässigen Sportevents von Procap. Die nationalen Bewegungs- und Begegnungstage finden seit 1969 alternierend in Olten, im Centro Sportivo in Tenero sowie an anderen Austragungsorten statt.

Zwischen 250 und 550 Sportler*innen mit Behinderungen sowie ihre Begleitpersonen und viele freiwillige Helfer*innen treffen sich während ein bis zwei Tagen. In Einzel- und Gruppenwettspielen zeigen die Teilnehmer*innen ihre sportlichen Fertigkeiten und trainieren ihre Fitness. In Workshops können sie zudem neue Bewegungsaktivitäten und Sportarten ausprobieren oder sich über wichtige Zusatzaspekte der Gesundheitsförderung wie Ernährung informieren. Und ein Rahmenprogramm mit gemeinsamem Essen sowie Tanz- und Musikdarbietungen sorgt dafür, dass auch die Geselligkeit nicht zu kurz kommt.

«Sport ist immer ein guter Grund, um sich zu treffen», sagt Helena Bigler. Dabei geben die Teilnehmer*innen alles, und wie so oft bei Wettkämpfen fliessen genauso viele Tränen der Freude wie der Enttäuschung. Denn auch wenn Mitmachen alles ist – Gewinnen ist ebenfalls wichtig. Es seien genau diese intensiven Emotionen und gemeinsamen Erlebnisse, welche die Teilnehmer*innen, Betreuer*innen und Helfer*innen mit nach Hause nähmen und die dazu führten, dass die Bewegungs- und Begegnungstage so beliebt seien.

Es braucht genauso inklusive wie separative Sportangebote

Inklusion im Sport bedeutet, dass Menschen mit und ohne Behinderungen gemeinsam und gleichberechtigt Sport treiben.

Ein gutes Beispiel dafür ist das Programm «OpenSunday Inklusion». In den kalten und nassen Wintermonaten werden in der ganzen Schweiz lokale Sporthallen für Kinder im Primarschulalter geöffnet. Seit einigen Jahren wird dabei auch die Teilnahme von Kindern mit Behinderungen gezielt gefördert und unterstützt. Damit werden das gegenseitige Kennenlernen und das Verständnis füreinander gefördert.

Auf ihrer Website bietet Procap ausführliche Informationen zu den unterschiedlichen inklusiven Sportmöglichkeiten.

Die meisten Sportangebote in der Schweiz sind jedoch separativ organisiert, also etwa nach Altersklassen, Geschlecht oder Trainingsniveau getrennt. «Das ist aber nicht nur schlecht und liegt auch daran, dass alle gerne mit gleich starken und gleichgesinnten Menschen trainieren», sagt Helena Bigler. Es habe schon immer Frauen- und Männerturnvereine gegeben oder Sportgruppen für Kinder und Jugendliche. Und auch aufgrund von unterschiedlichen Voraussetzungen der verschiedenen Sportarten ergebe sich oft Separation. «Wir wollen nicht inklusive und separative Sportangebote gegeneinander ausspielen. Wir möchten allen eine gewisse Wahlfreiheit ermöglichen.»

Sportbild und Behinderungsbild in Einklang bringen

Die Leiter*innen der Sportangebote von Procap gestalten abwechslungsreiche Programme, welche den individuellen Bedürfnissen der Teilnehmer*innen angepasst sind.

Procap Sport engagiert sich seit langem gemeinsam mit PluSport in der Aus- und Weiterbildung von Behindertensportleiter*innen. Neben den Sportgruppen und deren Angeboten im Breitensport sowie den Sportevents ist dies ein wichtiges Standbein von Procap Sport.

Die Aus- und Weiterbildungen basieren auf der Philosophie, dass man die Anforderungen einer Sportart mit dem Behinderungsbild einer Person in Einklang bringen sollte. Darauf basierend werden zum Beispiel Anpassungen beim Material oder bei den Sportregeln getätigt

Interessensvertretung und ein Blick in die Zukunft

Gemeinsam mit PluSport und Rollstuhlsport Schweiz bildet Procap Sport zudem die Interessensgemeinschaft (IG) Sport und Handicap. Diese vertritt die Interessen der beteiligten Organisationen in der Sportlandschaft Schweiz. Neben der Finanzierung von Angeboten im Behindertensport umfasst die Arbeit der IG zudem die gemeinsame Weiterentwicklung der Ausbildung 2025 und die Förderung der Inklusion im Sport.

Procap Sport bewegt sich ständig weiter. So geht es immer wieder darum, die Sport- und Gesundheitsförderung auszubauen oder neue Trends zu identifizieren. «Mit dem Programm ‹Procap bewegt› haben wir hierbei einen grossen Vorteil», sagt Helena Bigler. «In unserem Verständnis sind die Sport- und Bewegungsangebote wie auch die Gesundheitsförderung nicht vom Freizeitbereich zu trennen. Ob man nun Fussball spielt, auf einer barrierefreien La-VIVA-Partys einen Abend lang tanzt oder ein mit Sport kombiniertes Reiseangebot wahrnimmt: Alles führt dazu, dass es einem körperlich und psychisch besser geht und man weniger isoliert ist.»

Weiterführende Informationen und Quellen

Unter www.procap-sport.ch Link öffnet in neuem Fenster. finden Sie alle Informationen zu den Procap-Sportgruppen, den Sporttagen und weiteren Events, zu den Bewegungstreffs und den Angeboten von Sport inklusiv. Unter dem Menüpunkt «Freizeit» sind alle Informationen zu barrierefreien Freizeitaktivitäten wie etwa die La-VIVA-Partys oder «OpenSunday Inklusion» sowie hindernisfreie Wanderwege ersichtlich. Und unter dem Menüpunkt «Gesundheit» gibt es Ideen und Tipps zur Gesundheitsförderung – auch für Institutionen.

Die Broschüre: «Sport erst recht – Grundlagen in der Begleitung von Menschen mit Behinderungen im Sport» von PluSport fasst die Grundlagen der Begleitung von Menschen mit Behinderungen im Sport zusammen.

www.tinyurl.com/PlusportLehrmittel Link öffnet in neuem Fenster.