Zum Glück mit Kind

Dass Menschen Kinder bekommen, scheint selbstverständlich – hat aber ein Elternteil eine Behinderung, reagiert die Umwelt oft mit Unverständnis. Zudem drohen Abhängigkeit von Behörden, unzureichende Unterstützung und weitere verletzende Erfahrungen. Weshalb es trotzdem wagen? Drei Mütter und ein Vater erzählen.

Text und Fotos: Esther Ban, Illustration: Reto Crameri

Es gibt Fragen, die Menschen ziemlich sicher hören, wenn sie erstens eine Behinderung und zweitens einen Kinderwunsch haben. Eine dieser klassischen, oft sogar liebevoll gemeinten Fragen ist: «Habt ihr euch ganz genau überlegt, was das alles bedeutet?!» Eine andere: «Fühlt ihr euch dieser nicht zu unterschätzenden Verantwortung wirklich gewachsen?» Nach einem oder zwei Bier mit Freunden: «Jetzt mal ernsthaft: Geht das überhaupt, mit dem Sex und so?» Oder: «Das Gebären dürfte ja eher schwierig werden, oder?» Alleinstehende Frauen sind mit vielen zusätzlichen Vorurteilen konfrontiert. Ein häufiges, wenn auch selten so direkt ausgesprochenes: «Finde mal zuerst einen Partner!»

Es kommt auch vor, dass Menschen mit Behinderungen des Egoismus bezichtigt werden, wenn sie ein Kind erwarten oder bereits Eltern sind – in einer leistungs- und profitorientierten Gesellschaft scheint Geld oft einen höheren Stellenwert zu haben als Gerechtigkeit und grundlegende Menschenrechte. Und dass man die Leistungen und Hilfsmittel erhält, die einem zustehen, ist ebenfalls nicht selbstverständlich.

Die deutsche Sozialpädagogin und Professorin Gisela Hermes, die zu Elternschaft mit Behinderung geforscht hat, schrieb schon vor über zwanzig Jahren in einem Aufsatz mit dem Titel «Mutterschaft behinderter Frauen – ein Bruch mit der gesellschaftlichen Rollenzuschreibung»: «Behinderte Menschen werden in der Regel nicht gefragt, wie sie leben wollen – ihnen werden Lebensbedingungen ‹verordnet›.» Und würden sie sich dennoch für ein Kind entscheiden, hätten sie oft gegen sehr hartnäckige (Vor-)Urteile anzukämpfen.

Daran hat sich nicht viel verändert. Als wir anfingen, dieses Magazin zum Thema Elternschaft zu planen, fragten wir innerhalb des Procap-Netzwerks: «Wer ist interessiert, von den eigenen Erfahrungen zu erzählen?» Zu jenen, die sich meldeten, gehören Franziska, Matteo, Miroslava und Nadja. Zwei von ihnen haben Kleinkinder, bei den andern sind die Kinder schon etwas älter. Die einen leben auf dem Land, die andern in der Stadt. Zwei sind verheiratet, die andern beiden getrennt oder immer schon alleinerziehend. Sie alle haben eine Gehbehinderung – und eine Haltung zur Elternschaft.

Franziska Recher: Das Umfeld ist wichtig

Franziska Recher mit David
Franziska Recher mit David

«Ich wohne mit meinem Mann und unserem Sohn David im Kanton Baselland. David kam vor zweieinhalb Jahren zur Welt. Als ich selbst in dem Alter war, in dem David jetzt ist, erkrankte ich an einer Hirnhautentzündung. Ich überlebte nur durch die Amputation des rechten Beins bis zum Oberschenkel, und auch der linke Vorfuss musste abgetrennt werden.

Als Kind einer Bauernfamilie kletterte ich trotzdem in jeden Traktor und auf Bäume, fiel auch mal runter – meine Eltern liessen mich vieles machen. Auf meine Prothesen nahm ich keine Rücksicht. Dank dieser Freiheiten und der uneingeschränkten Unterstützung meiner Familie konnte ich eine starke Persönlichkeit entwickeln. Und mein Glaube an Gott war mir immer eine unglaubliche Stütze. Das liess mich auch die Teenagerzeit überstehen, in der ich über Jahre gemobbt wurde. Für etwas ausgeschlossen zu werden, für das ich nichts konnte, war schlimmer als die Behinderung selbst.

Für mich war immer schon klar, dass ich Kinder haben will. Meine Behinderung ist für meinen Mann und mich kein Hindernis, weder als Paar noch als Eltern. Was Elternschaft bedeutet, ist beim ersten Mal ja mit kompletter Ungewissheit verbunden, das ist für alle so, mit und ohne Behinderung – entsprechend naiv gingen wirs an. Vor der Schwangerschaft hatte ich aber schon Respekt. Denn Gewichtsveränderungen sind für Menschen mit Prothesen problematisch, weil der Stumpf und die Prothese perfekt zusammenpassen müssen. Mein Ziel für die Schwangerschaft war, trotz Gewichtszunahme möglichst lange auf den Beinen zu bleiben. Das funktionierte, was ich nicht zuletzt meiner Physiotherapeutin verdanke.

Als frischgebackene Mutter musste ich dann vieles herausfinden, etwa wie ich David tragen kann. Im Tragetuch fühlte er sich nicht wohl. Durch das Halten auf dem Arm und das Stillen bekam ich zudem schlimme Rückenschmerzen.

Weil Hilfsmittel fehlen, die auf die Bedürfnisse von Eltern mit Behinderungen zugeschnitten sind, braucht es viel Improvisation und Kreativität. Wir hängten zum Beispiel den Leiterwagen an den Rollstuhl, weil Ziehen für mich einfacher ist als Schieben. Kinderbetreuung und Haushalt sind körperlich anstrengend – ich ging oft über meine Belastungsgrenze hinaus. Mein Pensum als Radiologiefachfrau habe ich auf 40 Prozent reduziert, denn auch von dieser Arbeit muss sich mein Körper zwischendurch erholen können.

David machte seine ersten Schritte schon mit neuneinhalb Monaten. Sich aufzurichten, hatte er unter anderem am Rollstuhl geübt. Seit er rennen kann, habe ich keine Chance mehr, ihm zu folgen. Aber wenn es ernst ist, reagiert er sofort.

Meine Behinderung ist für David das Normalste der Welt. Und der Rollstuhl ist ein geliebtes Spielzeug. Kinder sind im Umgang mit Menschen mit Behinderungen viel entspannter als Erwachsene. Und beim eigenen Kind ist es nochmals etwas anderes: Für David bin ich die beste Mama, die es gibt, meine Behinderung spielt keine Rolle. Darauf können auch andere vertrauen, die unsicher sind, ob sie ein Kind haben möchten.

Wir haben mit unseren Freunden und Familienmitgliedern ein unterstützendes Umfeld. Dafür bin ich extrem dankbar. Unsere Wohnung ist im Haus der Schwiegereltern, mit denen ich mich gut verstehe und die David abgöttisch liebt.

Die Gesellschaft im Allgemeinen ist meiner Meinung nach zu wenig sensibilisiert auf Menschen mit Behinderungen – und noch weniger auf Eltern mit Behinderungen. Leute, die uns nicht kennen, urteilen über uns, manche bevormunden und behandeln uns respektlos. Ich weiss, dass sie im Grunde einfach unsicher sind. Umso mehr finde ich: Seien wir Menschen mit Behinderungen mutig, probieren wir Sachen aus, getrauen wir uns, Fehler zu machen, und vor allem: zeigen wir uns! Mit und ohne Kinder! Dies tut allen gut!»

Matteo Domeniconi: Kreativ als Teilzeit-Hausmann

Matteo Domeniconi mit Chiara
Matteo Domeniconi mit Chiara

«Ich war immer schon ein positiver Mensch, aber seit Chiara auf der Welt ist, freue ich mich jeden Tag extrem über das Leben. Es ist alles intensiver geworden – natürlich auch die Herausforderungen.

Ich arbeite 50 Prozent und erhalte für die anderen 50 Prozent eine IV-Rente: Das sind weniger als 1000 Franken im Monat. Meine Frau Andrea bringt den grössten Teil des Geldes heim. Sie arbeitet 80 Prozent als Pflegefachfrau bei der Spitex. Und ich betreue Chiara mehrere Tage in der Woche.

Chiara ist ein Easy going Kind. Ich staune immer wieder, wie gut sie erkennt, was wichtig ist, und wie sie versteht, wenn es ihr Mitmachen braucht. Das lernt sie ähnlich wie jemand, der zweisprachig aufwächst. Die ersten Schritte hat sie durch Festhalten am Rollstuhl gemacht. Ich selbst habe nie gehen gelernt. Meine Mutter hatte eine Schwangerschaftsvergiftung, deshalb holten mich die Ärzte drei Monate vor dem Geburtstermin aus dem Bauch. Ich wog 700 Gramm und passte in die Handfläche meines Vaters. Als ich eines Tages im Brutkasten mit angewinkelten Beinen an der Brust dalag, war sofort klar, dass etwas nicht stimmte. Die Beinmuskulatur konnte sich daraufhin nie ausbilden. Die genauen Ursachen für meine Paraplegie sind aber nicht klar.

Die Haltung meiner Eltern mir gegenüber war stets: Es ist alles möglich, wenn du willst – und sonst mach den Mund auf, wir sind da! Mein Wille und mein Kampfgeist kommen sicher auch daher.

Andrea lernte ich über gemeinsame Freunde kennen. Bei einem Essen kamen wir ins Gespräch und verstanden uns sofort super. Wir fanden beide: Ein Wiedersehen wäre schön! Kurz darauf zog Andrea bei mir ein – ja, wir sind beide offen und unkompliziert. Warum den Entscheidungsprozess künstlich in die Länge ziehen, wenn es stimmt? Ich wohnte damals zusammen mit Kollegen auch schon in unserer jetzigen Wohnung. Sie ist nicht vollständig barrierefrei, das Bad ist beispielsweise zu klein und hat keine Dusche, und die Küchenvorrichtungen sind zu hoch. Weitere Hürden fallen stärker ins Gewicht, seit Chiara da ist: die schwere Tür des Hauseingangs etwa. Auch der Liftknopf ist für mich vom Rollstuhl aus nicht einfach zu bedienen. Und der behindertengerechte Parkplatz, den ich auf meinen Namen beantragt habe, wird von einem andern dauerbesetzt – er besitzt zwar auch eine Behindertenparkkarte, ist aber Fussgänger. Die zuständigen Stellen unternehmen nichts. Wir könnten uns endlos über diese und viele weitere Ungerechtigkeiten aufregen. Es braucht Galgenhumor.

In der Wohnung haben wir uns gut eingerichtet. Als Wickelkommode dient ein höhenverstellbarer Tisch, so kann ich Chiara problemlos die Windeln wechseln. Wenn ich mit Chiara alleine das Haus verlasse, habe ich sie im ‹Tragi›, das ich mir um den Oberkörper schnallen kann. Zurzeit überlege ich, wie sich auf dem Motorisierungsfortsatz des Rollstuhls eine Halterung für einen Kindersitz konstruieren liesse. Ich bin kreativ und erfinderisch. Restlos jedes Problem konnte ich bisher aber nicht lösen. Chiara würde ich beispielsweise nie allein baden, denn ich könnte sie aus eigener Kraft nicht aus dem Wasser heben.

Die ersten beiden Jahre mit Chiara bestärken mich aber darin, dass vieles machbar ist, wenn man nur will. Ich wünschte, alle Menschen in unserem Umfeld hätten dieses Vertrauen. Wir erhalten viel Input von aussen – wie wir was tun oder eben nicht tun sollen. Aber wir müssen eigene Lösungen finden, die für uns passen! Das geht doch allen so. Den einzigen Tipp, den wir andern geben möchten: Habt keine Angst, eine Familie zu gründen, und hört auf euch selbst, lasst euch nicht reinreden! Wir haben noch immer einen Weg gefunden und sind aus schwierigen Situationen stets gestärkt hervorgegangen.»

Nadja Haab: Die Kinder lernen, dass nicht alles selbstverständlich ist

Nadja Haab mit Samia und Nevio
Nadja Haab mit Samia und Nevio

«Ich lebe mit meinen Kindern Nevio und Samia in einem Hausteil in einer Gemeinde im Kanton St. Gallen, Tür an Tür mit dem Vater der Kinder – wir sind getrennt, verstehen uns aber gut. Unser Sohn Nevio wird dieses Jahr 14 Jahre alt, unsere Tochter Samia 10. Und ich wurde 44. Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Im mechanischen Musikmuseum, das mein Vater gegründet hat, gebe ich mehrmals im Monat Führungen. Ich arbeite aber vor allem in der Pflege, mit einem 40-Prozent-Pensum in einem Zentrum für Menschen mit Demenz. Lange stehen kann ich wegen der Behinderung an meinen Beinen und Füssen nicht: Ein Teil der Nerven ist noch da, andere sind abgestorben und können nicht wiederbelebt werden. Meine Füsse wurden mindestens zehnmal operiert, zwischenzeitlich war ich ein halbes Jahr im Rollstuhl. Jetzt kann ich wieder gehen, habe aber Mühe mit dem Gleichgewicht und chronische Schmerzen – doch die lasse ich mir nicht anmerken. Dass ich nicht stärker beeinträchtigt bin und überhaupt lebe, ist ein Riesenglück. Ich kam acht Wochen zu früh zur Welt, mein zweitunterster Lendenwirbel ging kaputt.

Ich bin ein offener, positiver Mensch, komme schnell in Kontakt mit anderen, und natürlich wünschte ich mir eine Liebesbeziehung und Kinder. Das bescherte mir in jungen Jahren viel Enttäuschung und Herzschmerz.

Trotz meiner eigenen Geburtsgeschichte hatte ich keine Minute Angst davor, selbst zu gebären. Doch dann ging es mit Nevio sechs Wochen zu früh los. Es kam aber alles gut. Vier Jahre nach Nevio kam Samia zur Welt, vier Wochen zu früh. Da empfahlen mir die Ärzte, keine weiteren Kinder zu bekommen. Während der Schwangerschaften hatte ich durch die Gewichtszunahme Gleichgewichtsprobleme, ich bin auch ein paarmal umgefallen.

Was es bedeutet, Kinder zu haben, realisierte ich erst, als sie da waren. Wie alle, die ich kenne, ging auch ich davon aus, ganz natürlich in diese Aufgabe hineinzuwachsen. Das Tragen des Babys war aber schwieriger, als ich gedacht hatte, vor allem auf der Treppe. Die erste Zeit war also nicht einfach. Ich hatte auch psychische Probleme, hörte sogar eine Stimme, die mir sagte, ich sei keine gute Mutter. Damals half mir eine Psychotherapie.

In meiner Gemeinde kennen mich praktisch alle. Ich bin ein kontaktfreudiger Mensch, gehe auf andere zu und biete Unterstützung an, wenn ich kann – umgekehrt fühle auch ich mich stets unterstützt. Ich hörte selten Kommentare, nur einer ist mir in Erinnerung geblieben: In der Zeit, in der ich draussen zur Sicherheit für eines der Kinder ein ‹Rössligeschirr› benutzte, sagte jemand zu mir: ‹He, das ist kein Hund!›

Als ich nach zwölf Jahren wieder ausser Haus zu arbeiten anfing, machte ich mir grosse Sorgen wegen der IV. Ich musste lange auf einen Bescheid warten. Erst kürzlich kam die erleichternde Nachricht, dass ich weiterhin meine halbe Rente erhalte.

Meine Kinder wachsen im Bewusstsein und mit der Erfahrung auf, dass nicht alles selbstverständlich ist und dass es ihr Mitmachen braucht. Und dass nicht immer alles so läuft, wie wir es geplant oder sie es sich vorgestellt haben. Dadurch nehmen sie den Tag so, wie er sich entwickelt. Sie sind offen und sich gewohnt, mit schnellen, auch enttäuschenden Veränderungen umzugehen. Nevio ist jetzt in der Pubertät. Die Trotzphasen und das Antreiben-Müssen – das ist für mich als Mutter nochmals anders streng. Die Energie, die ich dafür brauche, habe ich nicht auf Reserve. Wir sind uns aber sehr nah, haben alle eine innige Beziehung zueinander. Beide Kinder sind feinfühlig. Wenn Nevio mir sagt: ‹Mama, ich habe so ein schönes Leben!›, oder Samia: ‹Ich bin so froh, dass du meine Mama bist!›, denke ich: Wie gut, dass ich den Mut dazu hatte und auch andere Menschen mit Behinderungen sich trauen, Kinder zu haben!»

Miroslava Radulovic: Vom ersten Tag an alleinerziehend

Miroslava Radulovic mit Srecko
Miroslava Radulovic mit Srecko

«Ein Kind zu haben, war immer mein grösster Wunsch. Mein Sohn Srecko ist jetzt neun Jahre alt, ich nenne ihn kurz ‹Sreci›. Wir leben zu zweit im Kanton Bern in einer Genossenschaftswohnung.

Srecis Vater kannte ich noch nicht lange, als er sagte: ‹Mit dir könnte ich mir vorstellen, eine Familie zu gründen.› Noch bevor ich wusste, dass ich schwanger bin, war er schon wieder weg. Trotzdem freute ich mich wahnsinnig auf mein Kind. Mein Umfeld reagierte allerdings mit Unverständnis, dass ich das Kind behalten wollte. Es gab sogar einen Arzt, der mich als egoistisch bezeichnete. Ich konnte meine Freude kaum teilen. Das war schade.

Die Geburt verlief ohne Komplikationen. Schwierig war jedoch die erste Zeit danach: Die meisten Assistentinnen, die für mich arbeiteten, nahmen mir das Baby einfach ab; ich musste mich oft wehren und sagen: ‹Moment, ich bin die Mama!› Das war ein steter Kampf gegen die Entmündigung. Ich hatte aber auch gute Assistentinnen und wurde schnell selbstständiger und selbstsicherer im Umgang mit dem Baby. Zum Wickeln hatte ich beispielsweise alles auf einem Tisch auf Rollstuhlhöhe eingerichtet. Und Srecis Bettchen platzierte ich so, dass ich ihn gut vom Rollstuhl aus greifen konnte. Tagsüber hatte ich ihn oft sitzend im Tragetuch oder im Maxi Cosi, bis er gut auf meinem Schoss sitzen konnte.

Ich bin motorisch nicht die Schnellste. Beim Gehen muss ich mich abstützen können. Die Behinderung habe ich seit meiner Geburt, es ist eine spastisch-beinbetonte Cerebralparese. Ich komme aber weitestgehend allein zurecht; wenn ich sitze, kann ich vieles selber machen.

Als Sreci klein war, war es mir wichtig, möglichst viele der Betreuungsaufgaben selbst wahrnehmen zu können. Er sollte auch jeden Tag viel Zeit draussen verbringen, damit er frische Luft und Bewegung hatte und mit anderen Kindern spielen konnte. Einmal sagte eine Frau zu ihm: ‹Werde möglichst schnell gross und selbstständig!› Sie meinte es sicher gut, aber ihre Vorstellung, dass er für mich eine Last sei, war falsch. Solche Bemerkungen sind lästig. Man lernt natürlich, damit umzugehen.

So quirlig Sreci tagsüber als Baby und Kleinkind war, so ruhig war er in der Nacht. Weinte er doch mal, ohne dass ich ihn beruhigen konnte, rief ich beim Ärztefon an. Dieser Dienst gab mir Sicherheit.

Die Zeit vergeht so schnell. Diesen Sommer kam Sreci schon in die dritte Klasse. Er hat Freunde und ist ein guter Schüler, besonders in Mathematik und Sport. Auch ich fühle mich akzeptiert von den Lehrpersonen und den anderen Eltern. Ich glaube, dass es die Leute überrascht, dass ich so pünktlich und zuverlässig bin.

Da ich eine Assistentin beschäftige, bin ich auch Arbeitgeberin. Den Lohn bezahle ich teilweise selbst, die Versicherungsbeiträge vollumfänglich. Ich habe immer von wenig Geld gelebt. Doch seit mein Mietzinszuschuss um 260 Franken gekürzt wurde, ist mein Budget wirklich sehr knapp. Die Alimente für Sreci entsprechen wohl auch dem gesetzlichen Minimum: 300 Franken. Noch reicht es, um unseren Lebensunterhalt zu bestreiten, um zweimal im Jahr in die Ferien zu fahren und an Srecis Geburtstag seine Freunde zu Schatzsuche und Fussballkuchen-Essen einladen zu können.

Menschen mit Behinderungen, ob mit oder ohne Kinder, sollten besser abgesichert sein, um keine Existenzängste haben zu müssen. Und wir sollten keine weiteren Einkommenseinbussen in Kauf nehmen müssen, denn das Leben wird immer teurer!

Für Sreci und mich wünsche ich mir, dass wir beide noch lange gesund sind und er mich immer gerne besuchen kommt, wenn er dereinst nicht mehr zu Hause wohnt. Und dass er weiterhin zu mir sagt: ‹Mama, ich bin so froh, dass ich dich habe!›»