Nach jahrelangem Ringen steht die Reform bei den Ergänzungsleistungen (EL) kurz vor dem Abschluss. Ausstehend ist nun noch die Schlussabstimmung am Freitag, 22.März 2019. Bereits am Dienstag, 19. März, hat der Nationalrat die Anträge der Einigungskonferenz angenommen, nachdem der Ständerat diese am Vortag guthiess. Einer der letzten Zankäpfel war der Vermögensfreibetrag, der auf 30'000 Franken für Alleinstehende bzw. 50'000 Franken für Ehepaare gesenkt wurde. Der Nationalrat hatte lange auf eine noch tiefere Senkung gepocht.
Dieses Beispiel zeigt exemplarisch auf, wie die ganze Debatte verlief: Der Nationalrat setzte zu einer Sparorgie an, der Ständerat korrigierte zumindest teilweise. Dank dessen kann nun eine alles in allem akzeptable Reform abgesegnet werden. Dennoch: Insgesamt werden Bund und Kantone über 400 Millionen Franken jährlich sparen. Dies bedeutet für einige EL-Beziehende einen einschneidenden Leistungsabbau. Die EL sind für viele Menschen mit Behinderungen äusserst wichtig: Fast die Hälfte der IV-Rentnerinnen und -Rentner sind auf EL angewiesen.
Steigende Mieten: Problem endlich angepackt
Beim dringendsten Problem konnte sich das Parlament endlich zu substanziellen Verbesserungen durchringen. Die Mietzinsmaxima – die maximalen EL-Beiträge an die Wohnkosten – werden erhöht. Seit 18 Jahren sind diese nicht mehr angepasst worden. Da die Mieten seither stark gestiegen sind, wurden viele Betroffene in die Armut gedrängt, denn die heutigen Beiträge decken die Mieten kaum mehr ab. Dieser Missstand wird nun behoben. Speziell betroffen sind Mieterinnen und Mieter im Rollstuhl, da rollstuhlgängige Wohnungen fast durchwegs teurere Neubauten sind. Deshalb ist es erfreulich, dass die Behindertenverbände Gehör fanden und das Parlament neben den Mietzinsmaxima auch den Rollstuhlzuschlag um 2400 Franken jährlich erhöht hat (auf insgesamt maximal 6000 Franken pro Jahr).
Procap ist erleichtert, dass zudem einige einschneidende Sparmassnahmen im Verlauf der Debatte entschärft werden konnten, so zum Beispiel:
- Der Vorschlag, die EL pauschal um 10 Prozent zu kürzen, falls jemand sein Pensionskassenguthaben ganz oder teilweise bezogen hatte, wurde in der letzten Runde im Nationalrat versenkt.
- Das Einkommen der Ehegatten wird zu 80 Prozent und nicht vollumfänglich (wie vom Bundesrat vorgeschlagen) angerechnet.
- Die Regelung zum Vermögensverzicht gilt für IV-Rentenbeziehende erst ab Rentenbeginn.
- Auf die vom Nationalrat vorgeschlagene 10-jährige Mindestbeitragsdauer wurde verzichtet.
- Die maximalen Beiträge der EL an die Krankenkassen richten sich nach der kantonalen Durchschnittsprämie – und nicht wie von beiden Räten ursprünglich gefordert nach der drittgünstigsten Prämie oder der tieferen kantonalen Richtprämie. Dies hätte einerseits massive finanzielle Folgen für Betroffene gehabt, und andererseits wäre die Wahlfreiheit eingeschränkt worden.
Familien und Heimbewohner: Der Gürtel bleibt eng geschnallt
Die beschlossenen Sparmassnahmen haben für einen Teil der EL-Beziehenden einschneidende Folgen, namentlich für Familien. Die Beiträge für Kinder unter 11 Jahren werden empfindlich gesenkt, z.B. um 3000 Franken jährlich für das erste Kind. Immerhin wird diese Senkung durch die Berücksichtigung der Kosten für familienergänzende Betreuung teilweise kompensiert. Nach wie vor bleiben für viele Heimbewohnerinnen und -bewohner kaum finanzielle Mittel für alltägliche Ausgaben: Der Betrag für ihre persönlichen Auslagen (z.B. für Kleider oder öV) ist je nach Kanton minimal. Deshalb trifft sie die Senkung des Vermögensfreibetrags speziell hart.
Trotz diesen unerfreulichen Sparmassnahmen unterstützt Procap nach Abwägen der Vor- und Nachteile die so beschlossene EL-Reform. Gemeinsam mit unserem politischen Dachverband Inclusion Handicap machen wir aber klar, dass die Kosten der EL unweigerlich wieder anwachsen werden, wenn bei der IV weiter gestrichen wird, namentlich durch die in dieser Session vom Nationalrat beschlossene Kürzung der Kinderrenten. Damit werden jährlich Kosten von geschätzten 47 Millionen Franken zu den Ergänzungsleistungen verlagert, sollte der Ständerat nicht korrigierend einwirken.