Text Cynthia Mira Illustration Midjourney Foto Andreas Müller
Geld regiert die Welt – ausser man leistet Freiwilligenarbeit. Schliesslich umfasst das Ehrenamt alle unbezahlten Tätigkeiten für Organisationen oder öffentliche Institutionen. Zudem fällt die Hilfeleistung für Personen, die nicht im gleichen Haushalt leben, darunter. 2020 haben laut Bundesamt für Statistik 41 Prozent der Schweizer Bevölkerung Freiwilligenarbeit geleistet, was etwa drei Millionen Menschen entspricht. Im Durchschnitt arbeiteten sie ohne Bezahlung 4,1 Stunden pro Woche.
Die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG) erfasst diese Zahlen regelmässig. Seit 2007 veröffentlicht sie den Freiwilligen-Monitor, der den Zustand des Engagements im Land aufzeigt. Besonders spannend: Die Daten sind bis in die kleinsten Bereiche aufgeteilt, sodass die Studie auch wertvolle Einblicke in die konkrete Freiwilligenarbeit für Menschen mit Behinderungen gibt. So zeigte sich in der letzten Studie, dass rund 20 Prozent der Bevölkerung Care-Arbeit leisten. Mit Care-Arbeit ist das freiwillige Engagement für Angehörige und Verwandte ausserhalb des eigenen Haushalts gemeint. Rund 1 Prozent gab an, 4,3 Stunden pro Woche für Menschen mit Behinderungen tätig zu sein, wobei 70 Prozent Frauen diese Arbeit übernehmen.
Wandel statt Rückgang
Ein Vergleich der letzten beiden Erhebungen offenbart: Das Engagement in der Freiwilligenarbeit ist nicht per se rückläufig, sondern es verändert sich. «2020 nahm die Freiwilligenarbeit beispielsweise im Sportbereich ab, während sie im sozialen Bereich zunahm», sagt Andreas Müller. Er ist Leiter des Themenschwerpunktes «Freiwilligenarbeit» bei der SGG und betont die Wichtigkeit des Ehrenamtes für die direkte Demokratie. «Freiwilligenarbeit ist Ausdruck des sozialen Kitts – des Zusammenhalts in einer Gesellschaft.» Es stärke das soziale Kapital eines Landes, fördere Vertrauen und bekämpfe die Vereinsamung. «Studien zeigen, dass Menschen, die sich engagieren, anderen Menschen mehr vertrauen und sich weniger allein fühlen», so Müller.
Die Zahlen des letzten Freiwilligen-Monitors sind schon etwas älter, aber in diesem Jahr erscheint eine neue Ausgabe. Fest steht: Traditionelle Engagements wie Vorstandsämter verlieren an Attraktivität, während projektbezogene, zeitlich begrenzte Aufgaben zunehmend gefragt sind. Ein Hindernis für langfristiges Engagement ist somit die zeitliche Bindung. «Der Zeitgeist fordert Flexibilität und Freiheit, aber das Bedürfnis zu helfen ist weiterhin stark», so Müller. «Man hat Familie, Beruf, Hobbys und möchte eine gewisse Freiheit behalten. Diese Veränderung trifft nicht nur auf jüngere Generationen zu, wie es gerne heisst, sondern auch auf ältere Menschen.»
Warum engagieren sich Menschen freiwillig?
Das Potenzial der Freiwilligenarbeit ist insbesondere im sozialen Bereich noch gross. 40 Prozent der Befragten ohne früheres Engagement gaben an, in einer sozialen, karitativen, gemeinnützigen Organisation tätig sein zu wollen. Für 43 Prozent, die bereits ehrenamtlich tätig waren, galt dieser Wunsch ebenfalls. Rund 5000 Teilnehmer*innen füllten damals den Fragebogen der SGG vollständig aus. Der Freiwilligen-Monitor 2020 zeigt auch, dass vor allem der Beweggrund «Anderen helfen» bei der Care-Arbeit überwiegt. Zudem steht der Spass im Vordergrund.
Freiwilligenarbeit lässt sich generell in zwei Formen unterteilen: Formelle Freiwilligenarbeit findet in Organisationen oder gemeinnützigen Einrichtungen, wie etwa in sozialen Projekten oder im Sport statt. Informelle Freiwilligenarbeit schliesst die persönliche Hilfe, etwa Nachbarschaftshilfe oder die Betreuung von Angehörigen, mit ein. Hier ist besonders die Altersgruppe zwischen 60 und 74 Jahren aktiv. Die Motivation ist sozial orientiert, während bei der formellen Freiwilligenarbeit der Spass im Vordergrund steht. Bei beiden Formen liegt es den Engagierten aber am Herzen, anderen zu helfen oder etwas zurückzugeben. Ohne die wertvolle Hilfe dieser Personen wäre auch die Arbeit bei Procap nicht zu stemmen.
Der Freiwilligen-Monitor 2025 wird gerade für die Zeit während und nach der Pandemie weitere Erkenntnisse bringen, doch eines steht fest: Freiwilligenarbeit bleibt ein unverzichtbarer Bestandteil des gesellschaftlichen Zusammenhalts in der Schweiz.