Sebastian Büttiker

Sebastian Büttiker beim Telefonieren an seinem Arbeitsplatz
Sebastian Büttiker ist unter anderem für den reibungslosen Ablauf von betreuten Gruppenreisen zuständig.

«Die Müdigkeit nach dem Sport ist das schönste Gefühl!»

Sebastian Büttiker
(*1989) arbeitet seit sechs Jahren bei Procap in der Abteilung Reisen und Sport, in der er pro Jahr rund 15 Gruppenreisen von A bis Z organisiert. In eine sportliche Familie geboren, spielt er trotz seiner Spina bifida («offener Rücken») seit seiner Kindheit ambitioniert Tennis.

Interview: Esther Banz, Fotos: Corinne Vonaesch

Procap: Sebastian, wie würdest du dich
selbst beschreiben?

Sebastian Büttiker: Ich bin sehr pünktlich und genau. Ein typischer Schweizer eben (lacht).

Du organisierst Aktivferien für Gruppen. Erzähl bitte von einem Arbeitstag.
Zuerst checke ich die E-Mails. Es gibt Tage, an denen ich viel telefoniere, etwa um diverse Details zu klären. Die genaue Planung bezüglich Unterkünfte, Reiseleitungen und Team gehört zum Alltag. Oder ich arbeite für den Katalog der nächsten Saison, halte die Website aktuell und etliches mehr. Meine Arbeit ist vielfältig, was mir sehr gefällt. Aber jeder Tag hat viel zu wenig Stunden.

Was passiert, nachdem eine Reise fixfertig organisiert ist?
Dann versende ich die Infos an die Gäste. Während der Reise bin ich die Ansprechperson für die Reiseleiter*innen, wenn etwas unklar ist oder wenn es Probleme vor Ort gibt.

Man sieht dich im Reisekatalog am Meer …
Ab und zu habe ich als Rollstuhlfahrer die Möglichkeit, auf sogenannte Rekotouren zu gehen, um einen Ort, seine Hotels und die Umgebung anzuschauen. Dabei achte ich auf alle Aspekte, die für uns wichtig sind. Insbesondere bezüglich Barrierefreiheit. Wenn sich ein Hotel als barrierefrei deklariert, kann das vieles bedeuten – was genau, erlebt man erst vor Ort.

Ein Beispiel?
In einer eigentlich barrierefreien Dusche hängt der Duschkopf so weit oben, dass er für eine Person im Rollstuhl unerreichbar ist. Oder beim Zugang zum Balkon hat es oft eine Schwelle, also kommt man mit dem Rollstuhl nicht hin. Dazu habe ich eine spezielle Anekdote. In einem Hotel auf Mallorca hatte es auch so eine hohe Schwelle. Weil die Gefahr eines platten Reifens bestand, meldete ich das an der Rezeption. Zwei Stunden später hatten die netten Hotelmitarbeitenden behelfsmässig einen Teppich darübergelegt.

Wenn nicht mal du über die Schwelle kommst, als sehr sportlicher Mensch …
Ja, ich bin auf sehr wenig Hilfe angewiesen. Aber ich achte natürlich darauf, ob die Infrastruktur auch für andere passend ist, zum Beispiel für Personen im Elektrorollstuhl.

Musstest du dir deine Selbstständigkeit erarbeiten?
Ja, das war harte Arbeit! Ein ständiges Lernen, was geht und was nicht. Mein Glück ist, dass mich meine Eltern zu grosser Selbstständigkeit erzogen haben. Schon als ich zwölf Jahre alt war, drückten sie mir etwa den Fahrplan für den Schulweg von Olten nach Aarau in die Hand und schickten mich los. Ich bin ihnen sehr dankbar dafür, dass sie mir viel zutrauten. Ich wäre sonst weniger selbstständig.

Warum?
Weil das auch eine Kopfsache ist. Durch die Haltung meiner Eltern merkte ich: Es geht, ich brauche nicht unbedingt jemanden, der mir hilft! Das trifft aber natürlich nicht auf alle zu. Es kommt immer auch auf das Ausmass der körperlichen Einschränkungen an.

War diese Erziehung eine bewusste Entscheidung deiner Eltern?
Es hatte auch damit zu tun, dass ich vier Geschwister habe. Meine Eltern hatten durch meine Behinderung sicher einen gewissen Mehraufwand. Dennoch behandelten sie mich grundsätzlich gleich wie die andern.

Erinnerst du dich an ein Erfolgserlebnis im Zusammenhang mit deiner Selbstständigkeit?
Ja! Das war, als ich erstmals an ein Tennisturnier ging, irgendwo auf dem Land. Ich fuhr damals noch nicht Auto und reiste mit dem Zug an. Ich sass im Alltagsrollstuhl und hatte den Tennisrollstuhl dabei. Die Reise klappte super, alle Leute waren hilfsbereit. Das brachte mich weiter. Aber es war natürlich nicht immer so einfach.

Bist du aus einer sportlichen Familie?
Sehr! Mein Vater war Fussballer in der Nati B, meine Mutter war Tennisspielerin. Wir waren alle immer sehr aktiv. Als Kind habe ich die Spiele meines Vaters geschaut, und wir haben im Quartier viel Unihockey und Fussball gespielt. Beim Fussball durfte ich als Einziger mit den Händen spielen. In der Primarschule war Sport immer mein Lieblingsfach. Ich wollte überall mitmachen. Machte ich Sport, ging es mir immer sehr gut.

Später bist du Rennrollstuhl gefahren – wie bist du dazu gekommen?
In Nottwil konnte ich verschiedene Sportarten ausprobieren, da habe ich Rennrollstuhl entdeckt. Ich praktizierte diese Sportart ein paar Jahre lang. Auch Skibob bin ich gefahren. Und ich war im Nachwuchskader für Tennis. Das spiele ich immer noch, aber ausschliesslich zum Spass – ich bin nicht mehr so wettkampforientiert. Wenn man den ganzen Tag sitzt, ist es umso wichtiger, Sport zu treiben und sich zu bewegen. Den Muskeln und den Knochen tut es gut. Und es gibt kein schöneres Gefühl, als nach sportlicher Aktivität müde zu sein. Sogar die Schmerzen am ganzen Körper fühlen sich gut an (lacht).

Welche Superkraft ist dir eigen?
Gelassenheit und Geduld! Ich bin ein ruhender Pol.