«Ohne Hilfe hätten wir es nie geschafft.»
«Ich bin jeden Abend völlig erschöpft», sagt Nadja ganz offen. «Matteo braucht mich ständig. Seine Schwester kommt dadurch oft zu kurz. Und für mich selbst bleibt gar keine Zeit.» Der achtjährige Bub braucht sehr viel Nähe und Aufmerksamkeit. Seine Behinderung ist von aussen kaum zu erkennen. Für die Familie ist dies sehr belastend.
Matteo lebt mit einer Autismus-Spektrum-Störung. Er bricht in Panik aus, wenn seine Mutter nur schon den Raum verlässt. Ruft die Tochter, kann Nadja nicht kurz nachschauen gehen. Schnell in der Küche die Pfanne vom Herd nehmen ist bereits ein Risiko. Sie muss Matteo immer mitnehmen, berichtet sie ehrlich.
Nadja lebt wie auf Nadeln, ständig muss sie mit einem heftigen Gefühlsausbruch rechnen. Dass seine Behinderung von aussen kaum zu erkennen ist, macht es für die Familie nicht weniger belastend. Zusammenbrüche von Matteo in der Öffentlichkeit stossen deswegen auf sehr wenig Verständnis und die Eltern werden oft mit kritischen Blicken angesehen. Diese ignoriert die Familie unterdessen gekonnt, aber – gerade an schlechten Tagen – sind diese verletzend.
Jeden Tag muss Nadja irgendwie neue Kraft zum Weitermachen finden.
Alltägliche Dinge, über die andere sonst nicht weiter nachdenken, wie Anziehen oder Duschen, sind purer Stress: «Wenn ich Matteo die Haare waschen muss, dann verkrampft er sich vollständig und kommt in einen riesigen Stress.», erklärt sie. «Mein Mann und ich müssen solche Dinge immer zu zweit machen.» Auch in der Nacht kommt Nadja nie ganz zur Ruhe. Sie schläft neben Matteo, damit er ständig Körperkontakt hat. Denn verliert er diesen, beginnt er verzweifelt zu weinen, und an Schlaf ist nicht mehr zu denken.
Eine Übersicht über Entlastungsdienste, zusätzliche Angebote oder Hilfestellungen gibt es nicht. Und für das Ausfüllen der vielen Formulare bei den Versicherungen fehlte uns die Energie.Nadja, Mutter von Matteo
In der Rechtsberatung von Procap haben die Eltern endlich Hilfe gefunden. Mit deren Unterstützung konnte die Familie eine Begleitung für die Schule erwirken, damit er diese überhaupt besuchen kann. Es braucht zwar immer noch jeden Morgen viel geduldiges Zureden, bis Matteo es schafft, in den Sonderbus zum Heilpädagogischen Schulzentrum zu steigen. Schon eine kleine Abweichung, wie beispielsweise ein anderer Busfahrer, bringt Matteo schnell an seine Grenzen. Dann ist es noch schwieriger, ihn zu zum Schulbesuch zu überzeugen. Wenn es dann aber trotzdem klappt, sind die paar Stunden allein zuhause für Nadja ein Segen. Sie geben ihr den dringend benötigten Freiraum, um auch mal der grossen Schwester ihre ganze Aufmerksamkeit zu schenken oder für sich selbst neue Kräfte zu sammeln.
«Ohne Hilfe hätten wir es nie geschafft.» Nicht nur die fachliche Kompetenz war für die Familie entscheidend, genauso wertvoll waren das Verständnis und ein offenes Ohr. Die Mutter erzählt: «Ich musste mich nie erklären oder rechtfertigen. Die Beraterin verstand sofort, wie es mir ging.»